Zurückblickend auf mein Sabbatjahr muss ich sagen, dass ist das Beste, was ich jemals gemacht hatte. Ich hatte so eine Freiheit gespürt, habe soviel neue Erfahrungen gesammelt, so viele neue Menschen kennen gelernt, so viel Neues über mich gelernt. ich bin über mich hinausgewachsen und habe mich weiterentwickelt.
Wichtig für eine Weiterentwicklung seiner selbst ist, über den eigenen Horizont heraus zu denken und zu handeln. Herausforderungen anzunehmen und durchzuhalten. dafür ist man nie zu alt. Man muss nur aus seiner Comfortzone hinaus gehen.
Mein Wunsch war es immer gewesen, ein Jahr auszusetzen und die Welt zu bereisen. Als ich 20 Jahre war, fiel die Mauer in der DDR. Anstatt genau zu dieser Zeit loszufahren und die Welt zu entdecken, hatte ich Angst, dass ich ohne Job und ohne Ausbildung auf der Straße landen würde. Also absolvierte ich brav mein Studium als Agaringenieur zu Ende. Anschließend suchte ich mir einen Job. Es folgte ein weiteres Studium beim Zoll für eine berufliche Sicherheit. Zu DDR Zeiten wurde uns eingebleut, dass es im Kapitalismus das Schwierigste ist, dauerhaft einen Arbeitsplatz zu haben und somit Geld für Miete und Nahrung zu erhalten. Das ich damit in meinem ganzen Berufsleben nur noch am Schreibtisch sitzen muss, habe ich erst nach der Verbeamtung leider feststellen müssen. Gern wäre ich in der Tourismus Branche gelandet und Reiseführer geworden.
Da das dann nicht mehr möglich war, hatte ich mir vorgenommen, wenigstens einmal im Leben ein ganzen Jahr auszusetzen. Aber dieses war erst seit einer Gesetzesänderung möglich. Erst seit 2009 war es möglich, dass der Freizeitblock bis zu einem Jahr betragen kann, vorausgesetzt, dieser liegt am Ende des Teilzeitraumes. Ich beantragte eine Teilzeitbeschäftigung über einen Zeitraum von 8 Jahren vom 01.08.2011 bis 31.10.2019 mit 36 Stunden. Hierbei mit einer Arbeitsphase von 7 Jahren mit 87,8 % Gehalt mit vollen 41 Wochenstunden und eine Freistellung von einem Jahr vom 30.10.2018 - 31.10.2019.
Als der Beginn des Sabbatjahres immer näher rückte, wusste ich nur eines, dass ich in London starten wollte. Ich wollte zum Beginn auf eine Sprachschule gehen. Ich suchte mir zunächst über das Internet eine Unterkunft in einer Familie und dann erst die Schule. Das ist eigentlich viel zu kompliziert. Es ist viel einfacher, über die Schule die Familie zu erhalten. Aber das lernt man eben erst, wenn man sich mit den anderen Schülern in der Schule austauscht. Und das ist nicht so einfach, da alle nur ein paar Brocken Englisch sprechen. Ansonsten müssten sie ja nicht zur Englisch Schule gehen.
Aber es war toll! Die Excel Schule in London war das Beste, was mir zum Beginn passieren konnte. Die dortigen Lehrer gaben mir damals den Mut, dieses Reise anzutreten. Sie nahmen mir die Angst, kein Englisch zu können. Sie gaben mir den Mut, Englisch zu sprechen und weiter zu lernen, auch wenn es nicht perfekt ist.
Ich bekam viel Besuch in London. Petra, Melli und Micha besuchten mich. Auch war meine Tochter zufällig auch zu dieser Zeit in Reading. Vier Wochen London hören sich lang an für eine Stadt. Aber für London reichen 4 Wochen nicht aus. Die Stadt ist grandios und bestimmt immer wieder eine Reise wert.
Anschließend bin ich nach Berlin zurück, habe hier nochmal meine Tasche neu gepackt und dann nach Neu-Dehli geflogen. Indien war die Herausforderung auf meiner Reise an sich. ich wusste, dass es einen Kulturschock gibt. ich hatte mich darauf vorbereitet, indem ich ein paar Jahre vorher in Indonesien war. Aber der dortige Kulturschock war ein Kinderspiel zu dem, was mich in Indien erwartete. Die Armut, der Lärm, die vielen Menschen, die dreckige Luft, der Müll überall... alles war zuhauf noch mal mehr als in Indonesien. Ich wollte damals wieder nach Hause, es war alles zu viel für mich. Aber ich habe mich durchgebissen und das hat mich viel stärker gemacht. An dem Nietzsche-Zitat "Was uns nicht umbringt, macht uns stärker" ist wirklich was dran. Indem ich damals den Kulturschock überwand und mich für das Land öffnete, bekam ich auf einmal so viel Liebe, Menschlichkeit und Wärme von den Indern. Das habe ich hier in Deutschland noch nie so erlebt. Ich bin noch nie nach nur einer gemeinsamen Busfahrt nach Hause zum gemeinsamen Essen mit der Familie eingeladen worden oder bekam von wildfremden Menschen Dinge geschenkt, die ich einfach nur schön fand und bewunderte. wenn ich jemals wieder in ein richtiges tief kommen sollte, was meine Arbeit oder meine Familie oder Deutschland betrifft, weiß ich, wohin ich hinfahren muss, um wieder "geerdet" zu werden. Ich bin Heidi so dankbar, dass sie mit mir durch Indien gefahren ist und ich meine Einstellung zu vielen Dingen überdenken durfte.
Nach Indien flog ich direkt nach Ho-Chi-Minh Stadt. Hier am Flughafen traf ich meine Tochter, die aus Deutschland kam. Wir reisten mi einer Gruppe von g-adventure durch Vietnam-Kambodscha-Thailand. Es war zum Teil sehr schwierig für mich, da die Gruppe ausschließlich englisch sprechend unterwegs war. Aber zum Glück war ja meine Tochter bei und konnte mir helfen. Ich träume heute noch manchmal von den schrecklichen Bildern des S-21 Gefängnisses der Roten Kmer in Phnom Penh, der Hauptstadt auf Kambodschas. Umso schöner jedoch sind die Erinnerungen an Angkor Wat in Siem Reap. In Thailand bleiben wir noch eine Woche auf Koh Tao zum Tauchen. Unsere Wege trennten uns dann am Flughafen in Koh Samui - aber nur ganz kurz. Wir mussten nämlich jeder einen anderen Flieger nehmen, um nach Singapur zu kommen. In Singapur trafen wir uns wieder, das war lustig. Beinahe hätten wir auch Micha hier getroffen, aber der kam dann doch nur eine halbe Stunde später an und wir mussten halt jeder schon zum Check in. Patricia nach Hause und ich nach Christchurch Neuseeland.
Hier traf ich mich dann mit Micha auf dem Flughafen in Neuseeland. Neuseeland ist ein Paradies. Jedenfalls in unseren Augen. Im Demokratieindex 2019 erreichte Neuseeland einen Demokratiewert von 9,26 Punkten und belegt damit Platz 4 hinter Norwegen, Island und Schweden von 167 Ländern. Das Grün der Wiesen und Wälder ist grüner, das Wasser ist türkis-blau und der Himmel näher. Neuseeland und Norwegen sind unsere Lieblingsländer. Nicht nur wegen der überwältigend schönen Landschaft, sondern auch eben wegen der Einstellung der Bevölkerung zur Natur und Umwelt, der Lebenserwartung und damit einhergehend das Gesundheitssystem, Ernährung, Schulbildung und Einkommen. Träume sind da um sie zu verwirklichen...5 Wochen Neuseeland waren nicht ausreichend. Wenn wir in den Ruhestand gehen, werden wir für ein halbes Jahr nach Neuseeland mit dem Camper gehen.
Nach Neuseeland flog Micha von Auckland nach Hause, ich aber flog weiter nach Tokio. Schon als Kind war ich fasziniert von der Kultur Japans. Wenn ich dahin fahre, sollte es immer zur Kirschblüte sein. Japan erlebte ich mit einer Rundreise mit meinem Lieblingsreiseveranstalter www.djoser.de. Die Gruppe war wieder toll, und dank Karin und Jürgen, Nikolaus und seiner Familie habe ich mich auch nie einsam gefühlt. Auch hier würde ich sofort wieder hinfliegen, da 14 Tage leider nicht ausreichen, um diesen perfekten Mix zwischen Tradition und Moderne erklären zu können.
Nach Japan flog ich dann endlich nach Hause, um hier mit meiner Familie Ostern feiern zu können und zu überlegen, wie der zweite teil meiner Weltreise aussehen sollte.
Als ich los fuhr, hatte ich nur die Flüge zwischen Berlin-London-Berlin-New Dehli-Hoh Chi Minh Stadt-Ko Samui-Christchurch-Auckland-Tokio-Osaka-Tokio-London-Berlin gekauft. Und ich war nie allein unterwegs, es war mindestens immer eine Person bei mir.
Als ich zu Hause war, stellte ich fest, dass ich jetzt mutig genug war, um allein in die weite Welt zu reisen. Und ich wusste, dass ich unbedingt weiter Englisch lernen wollte, denn nur so ist es möglich zu reisen, fremde Kulturen nette Menschen kennen zu lernen. Ich strich also England und Neuseeland von meiner Liste und es blieb übrig: Süd-Afrika, Australien, Kanada, Amerika und Irland. Und ich setzte mir selbst das Datum 31. Mai 2019, an dem ich Deutschland spätestens wieder verlassen haben möchte. Es ist zu einfach zu Hause zu bleiben, alles gewohnt und sicher. Da ich einmal um die Welt fliegen wollte und Amerika nicht würde ansteuern, solange Trump Präsident war, buchte ich also die Flüge für Berlin-Singapur-Brisbane-Vancouver-Dublin-Berlin. Das liest sich jetzt alles so einfach, aber der Entscheidungsprozess war nicht immer einfach. Auch die Reise war nicht immer einfach. Aber ich kann mich nur wiederholen, es ist das Beste, was ich je gemacht habe.
In Singapur wollte ich einen Zwischenstopp einlegen, um die Anreise nach Australien etwas zu verkürzen. Was bleibt mir im Kopf? Die piekfeine saubere Stadt, völlig überzogen und ein Hotelzimmer ohne Fenster.
Brisbane hatte ich ja eher zufällig gewählt. Ich hatte so ein Glück mit meiner Gastfamilie. Das war so schön dort in Brisbane. In den 8 Wochen Australien Aufenthalt konnte ich das australische Lebensgefühl erleben. Ich hatte bewusst die großen Länder wie Australien und Kanada für jeweils einen langen Zeitraum ausgewählt, denn wann werde ich jemals dazu kommen, so viele Wochen in diesen beiden Ländern sein zu dürfen?
Ich reiste allein durch Australien. Ich bin so stolz auf mich. Mein Durchhaltevermögen, meine Selbstsicherheit, meine Selbstachtung, meine Sichtweise ...alles konnte ich durch diese Reise steigern. Und dann nur als Nebeneffekt, denn eigentlich bin ich ausgezogen um fremde Kulturen, Länder und Menschen kennenzulernen.
Nach Australien flog ich dann nach Kanada. Auch hier hatte ich außer der Schule in Victoria nichts weiter geplant. So bin ich mit Natascha durch die Rocky Montanis gefahren und haben einige echte lebendige Braunbären gesehen. Nicht hinter Gittern! In Victoria war ich 4 Wochen. Diese Stadt ist meine Lieblingsstadt, hier würde ich leben wollen.
Am Ende meiner Reise flog ich nach Dublin und war wieder in Europa. Ich umrundete also einmal die Erde, flog über den Indischen Ozean, dann den Pazifik und am Ende über den Atlantik. Irland ist auch richtig schön. Hier könnte ich mir vorstellen, mit dem Fahrrad eine Rundreise zu machen.
Ich muss es noch einmal sagen: Ich bin einfach nur glücklich, diese reise meines Leben gemacht zu haben. Sie war es jede Minute und jeden Cent wert. Am Ende war ich der glücklichste Mensch den es gibt und froh, wieder zu hause zu sein. ein Zu Hause zu haben mit meinen Liebsten, die zu mir gehalten haben und auf mich gewartet haben. Danke an meine Eltern, die auf mich gewartet haben, an meine Tochter die mich immer unterstütz hat, diese Reise anzutreten, an Micha, der auf mich gewartet hat, an meine ArbeitskollegInnen und FreundInnen, die immer dran teil nahmen und mit mir in Kontakt blieben. Wer jetzt Lust bekommen hat, auch solche eine Reise zu machen...legt los!!! Ich unterstütze gern.
Die Reise war wie ein Fallschirmsprung. Man hat Angst, einzusteigen, loszufliegen, Abzuspringen. Aber wenn man fliegt, ist es das Schönste, was es gibt. Und die Landung tut gar nicht weh.